Montag, 27. November 2017

m.ein Mutterherz

Ein Baby weint und alles zieht sich in mir zusammen. Nicht, weil es mich stört. Sondern weil es mir weh tut, das Baby weinen zu sehen oder zu hören. Es ist eine Veranlagung, eine genetische Sache, die das Überleben eines Säuglings sichert: wenn ein Baby weint kümmert die Mutter sich darum.

Ich bin noch keine Mutter, aber trotzdem habe ich diese starken Gefühle beim Weinen eines Babys. Vielleicht nicht so, wie eine Mama bei ihrem eigenen Kind. Aber doch stark.

Am Wochenende habe ich die Ausbildung zur Trageberaterin bei Didymos in Ludwigsburg gemacht. Dabei haben wir auch viel über die Bedürfnisse eines Kindes gelernt und wie die Gesellschaft Erziehung sieht. Es beherrscht uns eine riesige Angst, dass wir unser Kind verwöhnen. Dass diese Angst aus der nationalsozialistischen Zeit stammt, in der die Kinder möglichst abgehärtet werden sollen, wissen die wenigsten.
Wir sprachen darüber, wie elementar und gleichzeitig schön Nähe für Babys ist, und dass wir als Erwachsene ja auch ein Nähebedürfnis haben. Im Kurs scherzten wir: "Und bei wem darf ich ins Tragetuch zum Kuscheln?"

Am Tag nachdem ich mein Trageberaterinnenzertifikat in Händen hielt, war ich mit einem Teil meiner Familie im Gottesdienst in Tübingen. Mit dem Kopf war ich noch beim Kurs und bei den vergangenen drei Tagen, die ich mit einer Puppe vor dem Bauch oder auf dem Rücken verbrachte.

Und während dem Gottesdienst machte ich mir so meine Gedanken darüber, wie Gott das alles geschaffen hatte: Familien, Kinder und Mütter und die engen Beziehungen und Bindungen. Und plötzlich fühlte ich mich so zu Gott hingezogen. Es fühlte sich an, als ob ich jetzt zu ihm ins Tragetuch darf und mich an ihn schmiegen darf. Eine ganz intime Zeit. Nicht nur auf den Schoß, sondern ins Tragetuch. Enge, exklusive, liebevolle Nähe. Es war wunderschön.

Und während ich Gott dafür lobte und mich an ihn kuschelte, machte ich mir Gedanken über das Mamasein.
Ich freue mich nämlich schon darauf, Mutter zu werden. Und denke oft in "jetzt" und "dann", also "Wenn ich erstmal Mama bin, dann..." Aber ich glaube, das ist ein Trugschluss. Denn ich habe schon jetzt ein Mutterherz. Ein weiches, weibliches, schönes, sanftes Herz, das sich beim Weinen eines Babys zusammen zieht, um den Anfang mal wieder aufzugreifen. Denn auch Gott hat ein Mutterherz, und er hat mich als Frau in seinem Bild geschaffen.

"Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet." - Jesaja 66, 13

Gleichzeitig ist Gott der Vater und hat dadurch natürlich auch ein Vaterherz. Und so ist es doch nur logisch, dass er uns, wenn er uns sich selbst ähnlich gemacht hat, ein kleines Stück von beiden Herzen in die Brust geben kann. Väter trösten, umsorgen, streicheln, tragen. Mütter raufen, machen Spaß, ermutigen. Und umgekehrt. Jeder hat auch seine Rolle und ich liebe es, eine Frau zu sein und mein (Mutter)herz immer besser kennenzulernen. 

Muttersein, ein kleines Mosaikteilchen vom herrlichen Wesen Gottes, das er in uns Menschen, in mich, auch ohne ein eigenes Kind, gelegt hat. Eine Möglichkeit, sein Wesen zu spiegeln und auf dieser Welt vorzuleben. 

Danke, Gott, mein Vater, du bist einfach wunderbar.


Love, anni

Samstag, 25. November 2017

Heimatlos?

Vor einer Woche sind wir aus unserer Wohnung ausgezogen. Wir haben alle unsere Sachen in Kisten verpackt, bis spät in die Nacht, und gestapelt. Wir haben unsere Erinnerungen eingepackt, die wichtigen Ordner, die Bücher, die Winterkleidung, die Töpfe. Wir haben unseren Tisch und die Stühle verkauft, das Bett eingelagert, die Schränke für unsere Nachmieter leer geräumt. Und dann kamen viele liebe Menschen, die uns geholfen haben, alles fünf Stockwerke nach unten zu tragen und in einen Transporter zu packen, dass wir es zu unseren Eltern bringen können. Alles, was wir noch besitzen.


Letzten Montag haben wir die Schlüssel unserer Wohnung abgegeben. Und seitdem sind wir wohnungslos. Bis jetzt fühlt es sich noch wie Urlaub an, aber erste Leute fragen, ob wir uns nicht heimatlos fühlen. Und ich kann von ganzem Herzen verneinen.

Denn meine Heimat ist nicht an eine Wohnung gebunden. Auch wenn unser neues Zuhause im Markgräflerland in den letzten Jahren zu einer neuen Heimat geworden ist und wir uns wohl gefühlt haben und schweren Herzens gehen, ist mein Herz nicht daran gebunden. Auch nicht an die Heimat, in der wir aufgewachsen sind und die uns von Klein auf geprägt hat.
Wir haben ineinander und in Jesus Heimat. Dazu bin ich über diesen Vers gestolpert:

"Wo du wohnst, möchte auch ich für immer bleiben - dort, in deinem Heiligtum. Bei dir suche ich Zuflucht wie ein Küken unter den Flügeln seiner Mutter." (Psalm 61,5)

Meine Heimat ist in Jesus. In seinem Heiligtum. Das ist überall auf der Welt. Meine Heimat ist also in Neuseeland, im Markgräflerland, im Hegau. Überall.


Und bei Tobias. Wir zu zweit mit Jesus unterwegs. In Jesus verbunden. "ijv" ist auch in unserem Ehering eingraviert.

Also nein, ich fühle mich ganz und gar nicht heimatlos. Und wenn einmal Phasen kommen, wo ich mich so fühle oder traurig bin oder Heimweh habe, dann möchte ich mich daran erinnern.

Love,
Anni

Freitag, 10. November 2017

Everything falls into place


Wie die Blätter fallen, fallen gerade auch die Dinge aus unserer Wohnung weg (zum Glück nicht vom Balkon). Nach und nach füllen sich Kisten mit den Aufschriften „EBay“, „verschenken“, „behalten“ und „mitnehmen“. Es ist das totale Chaos, wie bei einem Herbststurm. Um an den Kistenstapel in der Ecke zu kommen muss ich über die Gästebettwäsche, den Staubsauger und einen Haufen mit aussortiertem Kram steigen. Ich will gerade erzählen, wie anstrengend das alles ist, als ich merke, dass es mir Spaß macht! Chaos macht mir nicht viel aus, ich weiß, dass es ein Übergangszustand ist und ich mag die Veränderung.
Mir gefällt unser sich leerendes Wohnzimmer, aus dem der Raclettegeruch gar nicht mehr rausgeht, da wir so viele Abschiedsbesuche haben, mit denen wir Raclette essen. 
Mir gefällt der leere Platz, wo die Mikrowelle stand, die nun nicht mehr mich, sondern meine Schwester mit wärmenden Rapskissen versorgt. 
Ich freue mich über den Abschied, auch wenn er schmerzt. Bittersweet ist so ein gutes, treffendes Wort. Wir lassen unser 1. gemeinsames Zuhause zurück. Unser durchgesessenes Sofa, auf dem ich fast alle Hausarbeiten geschrieben habe. Den Tisch, an dem gelacht, philosophiert und mein Daumen geheilt wurde. Die Küche, in der ich lernen durfte, eine Hausfrau zu sein, für meinen Mann zu kochen und Ratschläge von ihm anzunehmen (!). Unser grünes Chaoszimmer, das so viele liebe Freunde beherbergt hat. Das Bad ohne Fenster, das kleiner ist als unser kleiner Balkon, dem ich absolut nicht nachtrauern werde. (Dem Bad, nicht dem Balkon) 


Wir lassen Freunde zurück, die zur Familie geworden sind. Kinder, die wir ihr ganzes Leben lang kennen und lieben. Freunde, mit denen man 6 Stunden am Frühstückstisch sitzen kann. Freunde, mit denen wir auf Berge geklettert und im November in Seen gesprungen sind. Freunde, die wir schmerzlich vermissen werden. 

Aber sind es nicht diese schönen Erinnerungen und diese geliebten Menschen, die einen Abschied auch schön machen? Weil man weiß, man hatte eine gute Zeit an einem guten Ort mit guten Menschen. 


Ich wollte vor 2 Jahren schon gehen. Tobias hatte kein „Ja“ dazu, was mich damals fast verrückt gemacht hat. Jetzt bin ich dankbar! Die schönen Erinnerungen wären weniger gewesen und unser Wegzug wäre eine Flucht gewesen. Jetzt ist es keine Flucht, jetzt folgen wir einem Ruf, den wir beide in unsern Herzen gehört haben. 

Für eine Weile wird Neuseeland unser Zuhause sein. Bei YWAM werden wir eine Jüngerschaftsschule (DTS) mitmachen und Gott besser kennen lernen, seine Gegenwart genießen, uns selbst und uns gegenseitig in Ihm neu kennenlernen und neu definieren. 
Vieles spannendes und herausforderndes wartet auf uns am anderen Ende der Welt. 

Es fällt mir nicht leicht, hier alles loszulassen, aber die Freude auf das Abenteuer lockt und überwiegt. 
Wir hatten einen wunderbaren Start in unser gemeinsames Leben. Danke für jedes Wort, jede Ermutigung, jede Einladung, jede Umarmung, die dazu beigetragen hat, dass das Markgräflerland zu einem Stück Heimat für uns geworden ist, das wir vermissen und an das wir gerne zurückdenken werden. 

And everything falls into place. Thank you Jesus. 

Love, anni 

Mittwoch, 1. November 2017

Muskathlon: Break my heart

Spoiler: Nie habe ich so viele Männer weinen gesehen, wie beim Muskathlon [Fußballstadien betrete ich aus Prinzip nicht ;) ]

Weinen finde ich ganz wunderbar. Klar, manchmal ist es ganz schön unpassend, wenn die Tränen kommen. Ich kenne viele Frauen, die sich dafür schämen und entschuldigen, dass sie "Nah am Wasser gebaut sind".
Warum verstecken wir unsere Tränen so oft? Gott hat sie uns gegeben und er wird sich wohl etwas dabei gedacht haben :)
Auch Jesus weint... aus Mitgefühl ( = Compassion). Jesus ist überhaupt ein emotionaler Mensch gewesen, denke ich. Er liebt, weint, ist wütend, hungrig, ...
Ich glaube, wie Jesus, dürfen wir unsere Emotionen spüren, ohne uns davon kontrollieren zu lassen. Für dich scheint es vielleicht, als würde man die Kontrolle verlieren, wenn man Tränen zulässt. Ich denke, Tränen sind ein Ventil, das uns hilft, die Kontrolle nicht zu verlieren.

Während unserer Reise gab es immer wieder Momente, in denen mir die Tränen in die Augen stiegen. Wir haben ein traditionelles Dorf auf Sumba besucht, auf dem Foto oben seht ihr es. Die Situation war erst angespannt und komisch, als wir ankamen. Die Bewohner des Dorfes saßen in ihren Hütten, quasi auf der "Terrasse" und beobachteten, wie wir ankamen. Und wir beobachteten zurück und wussten nicht so richtig, was wir machen sollen. Ein Glück hatten wir Übersetzer dabei. Und Seifenblasen. Seifenblasen und Luftballons bringen Kindern hier so viel Freude. Und ein paar Tränchen helfen mir, den Kloß im Hals zu lösen und mich dann mit den Kindern zu freuen.

Die Menschen leben hier bewusst so, wie schon vor Hunderten von Jahren, es ist ein bisschen wie ein Freilichtmuseum und es ist auch gewollt, dass Besucher und Touristen kommen. Es gab gute Gespräche mit den Erwachsenen und viel Freude bei den Kindern, als wir alle ein bisschen aufgetaut sind. 

Die Hütten sind typisch für Sumba. In dem spitzen, hohen Dach ist ein Getreidespeicher. Das Grasdach muss einmal pro Jahr erneuert werden, was einen ganzen Tag dauert. Die Häuser sind aus Bambus gebaut und stehen auf Stelzen. Unter dem Haus wohnen häufig Tiere, z.B. Schweine. Das ist ziemlich praktisch, beim Kochen kann man die Abfälle einfach durch den Boden werfen und so die Schweine oder Hunde füttern :D Seht ihr auch die großen Steine, die aussehen wie riesige Steintische? Das sind Gräber. Häufig haben auch sie so ein spitzes Dach, extra nur für das Grab. Die Menschen glauben, das in dem spitzen Dach die Geister wohnen. Auf der Steinplatte werden Opfer dargebracht. 


Ich bin froh, als wir wieder gehen. Hier ist eine ganz andere Stimmung als im Compassion Projekt, das wir danach besuchen. Obwohl es Spaß gemacht hat, mit den Kindern zu spielen, ist eine gewisse Hoffnungslosigkeit nicht zu leugnen. Sie liegt in der Luft. Stille Schreie nach Hilfe, die mich verfolgen. "Jetzt bist du hier. Aber wenn du wieder gehst ist alles so wie vorher."
Die Kinder sind so leicht zum Lachen zu bringen hier, wie der Junge oben mit dem blauen länglichen Luftballon. Die Kinder laufen hier mehr mit, es kommt selten vor, dass Erwachsene mit ihnen spielen oder Späße machen. 

Abends ist mein Herz schwer. Die Tage sind voll und anstrengend, da wir viel Programm und wenig Schlaf haben. Gut, dass im Muskathlonprogramm immer wieder eine Zeit eingeplant ist, in der wir Gott loben und ihm danken, für all das Gute, was er tut. Denn das tut er!
Dabei singen wir gleich am ersten Tag das Lied "Hosanna" von Hillsong.


Show me how to love like you have loved me
Break my heart for what breaks yours
Everything I am for your kingdom's cause

(Zeig mir so zu lieben, wie du mich liebst
Lass mein Herz brechen an den Dingen, die dein Herz zerbrechen
Mein Alles für dein Königreich)

Mein Herz scheint wirklich zu brechen. Und ich bin nicht mal ansatzweise so weit, dass ich verstehe, was Gottes Herz alles zerbrechen lässt. Alles was ich heute gesehen habe, Ungerechtigkeit, falsche Verteilung von Gütern, Gewalt, Hoffnungslosigkeit, Gleichgültigkeit, Unterernährung,... das liegt mir auf der Brust und scheint mein Herz zerspringen zu lassen.

Doch ich weiß: Gott macht aus Kaputtem etwas Wunderschönes. Aus meinem zerbrochenen Herzen hat er ein wunderschönes Mosaik gelegt. Und noch besser: David schreibt in Psalm 51: "Schaffe in mir ein reines Herz!" Das Wort das für "schaffen" genutzt wird heißt "bara" und das beschreibt eine Tätigkeit, die nur Gott ausführen kann: aus dem Nichts etwas zu Schaffen, so wie in der Schöpfungsgeschichte. 

 Lieber Herr, ich gebe dir alles hin was ich habe, mein Herz. Auch wenn es nicht viel ist. Du kannst aus Nichts Alles machen. Lass mein Herz brechen an den Dingen, die dein Herz zerbrechen. Break my heart for what breaks yours. Das ist wichtig. Das ist unser Auftrag. Du darfst mein Herz gestalten und neu machen. Danke, dass du es besser weißt als ich, was ich brauche. Und danke, dass du es mir zur richtigen Zeit gibst.


Love,
anni


Unser dunkler Samstag - eine Ostertradition

Heute ist ein Tag des Aushaltens. Der Samstag zwischen Karfreitag und Ostersonntag. Ein Tag, den wir bewusst nutzen, um die Herzen unserer...